Shocks in der Katerstadt

Es mag beginnen mit einem Schock…aber ich hoffe, am Ende stehen wir.

Ein bißchen erschüttert, ein wenig zerrüttet aber mit frohen Herzen und klaren Gedanken.

Ich, du und alle, die wir kennen (und liebhaben).

Heute:

Es ist kurz vor Zwei und es ist viel zu heiß…Gedanken braten auf schwitzigem Körpergefühl. In meinem 1Raum-Luxusschuhkarton schwimmen das Kind und ich in einem unruhigen Mittagsschlaf dem Aufwachen entgegen.

Ich höre jemanden im Hof meinen Namen sagen und schäle mich langsam aus träger Benommenheit als es auch schon an der Tür klingelt.

Davor stehen Herr und Frau criminal investigator in Zivil (und zwar jene, die immer die schlechten Nachrichten überbringen) und bitten um Auskunft und Einlass. Dank der ganzen Woche Dexter bin ich selbstverständlich bestens auf derartige Situationen vorbereitet. Nicht.

Ich gehe nachsehen ob das Kind inzwischen vollkommen erwacht ist. Da mag ja kommen wer will, der Mittagsschlaf ist heilig. Das Kind guckt mir wortlos (ungewöhnlich !) und erwartungsvoll entgegen.

Ob ich den Herrn X kennen würde. (In der Tat. Ist er doch der Vater meiner Tochter und nach langen Kämpfen auch wieder ein Freund.).

Wann ich ihn zuletzt gesehen hätte – (Gestern, als er das Kind brachte, wieso ?). Ich lasse Beide ein. An der Tür möchte ich auch nicht klären, was auch immer da zu klären ist.

Ob ich mich nicht setzen möchte. (Nein, eigentlich nicht und ihre Kollegin steht ja auch noch- btw, wollen sie sich nicht doch hinsetzen, sie machen mein Kind nervös- aber wenn sie schon mit so einem bedeutungsschwangeren Ton fragen… auch wird mir langsam ein bißchen schlecht). Das Kind ahnt das etwas ganz und gar nicht stimmt und ist wie erstarrt. Ob er Tattoos hätte und ich diese beschreiben könne. Ob ich ein Foto hätte…ich frage zum wiederholten Mal worum es zur Hölle denn gehen würde. Nun, wenn sich herausstellte, dass es sich bei gesuchter Person um Herrn X handelte hätten sie leider eine traurige Mitteilung zu machen.

Diese wäre gestern tot, mit wenigen Sachen bekleidet und auf der Straße liegend vorgefunden worden.

Stille.

Schock.

Ich beginne zu schnappatmen und zu weinen und Frau criminal investigator nimmt mich in die Arme…die Frage nach dem Photo wird wiederholt. Ich gehe zum Kind und drücke es fest an mich. Ich zittere. Ich kann es nicht fassen. Ich glaub’das nicht. Ich glaub’es wirklich nicht, ich brabbele vor mich hin, ich erkläre warum ich keine Photos zu Hand habe als mir der Computer einfällt. Ich zeige den Beiden zwei drei Bilder dort und Herr criminal investigator geht telefonieren weil er nach einer auf Fotos sichtbaren und ihm unbekannten Tätowierung fragen will. Ich bin jetzt ganz ruhig. Ich versuche das Kind zum Trinken zu bewegen. Ich rede mit Frau criminal investigator über Fahrwege zu Unis und das Wetter. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob der VaterdesKindes heute oder gestern ausgehen wollte in der Nähe des…ähm…FUNDORTES (ehrlich, diese SPRACHE im Zusammenhang mit toten MENSCHEN…) aber ich habe ein „gutes“ Gefühl. Nur kurz denke ich darüber nach, wie ich es dem Kind beibringen soll, falls ich mich irre und er es doch ist.

Herr criminal investigator kommt wieder. Er ististist es NICHT. Der gefundene Mensch hätte keine Tattoos an dieser Stelle und Tattoos verschwinden selten über Nacht. Ich habe die glorreiche Idee, den VaterdesKindes ANZURUFEN…

Nach mehrmaligen Klingeln geht der (fast)Totgeglaubte ans Telefon. Ich höre die Verwirrung, den Unglauben und das darauffolgende Herzrasen, das leicht irre Lachen…die vier Phasen des Diehamgedachtichwärtot…hust.

Was bleibt sind die Fetzen tiefsten Entsetzens, die paar Sekunden, die ich geglaubt habe, es könnte vielleicht stimmen. Mir noch nachhängend.

Nicht zu vergessen, dass es da jemanden gibt, der tatsächlich verstorben ist. Noch jung war. Wahrscheinlich Angehörige und FreundInnen hat, die in diesen Stunden kontaktiert werden. Für die aus Schrecksekunden Endgültigkeit werden. Die KriminalbeamtInnen fragen mich noch, ob ich mir vielleicht die Photos vom Toten ansehen möchten, vielleicht würde ich ihn kennen. Ich frage, ob es schlimme Bilder sind und erinnere auch an das Kind im Raum. Er würde aussehen als schliefe er…und das stimmt. Ich kenne ihn nicht. Sehe auch keinerlei Ähnlichkeiten zu (doch noch) lebenden Personen…

Außerdem nennen sie noch einen Spitznamen…hätten sie diesen gleich erwähnt, hätte ich ihnen sagen können, dass es sich relativ sicher NICHT um den VaterDesKindes handeln kann.

Wir ( d.h. wir als in die Geschichte zufällig hineingeratene Personen) wissen inzwischen, um wen es sich handelt. Die Ähnlichkeit der Vor-und Familiennamen haben höchstwahrscheinlich für die Verwechslung gesorgt. Ich lasse mich nicht weiter darüber aus, was eine gründlichere Recherche mir und dem Kind erspart hätte. Oder wieviel Rassismus darin steckt, zwei sich ÜBERHAUPT nicht ähnlich sehende Personen nur wegen demselben polnischen Vornamen und dem denselben Anfangsbustaben des Familiennamens in einen Ermittlertopf zu werfen. Angeblich hätte es noch jemanden gegeben, der den vollen Namen vom VaterdesKindes genannt hätte als die Leiche gefunden wurde mit der Aussage, es könne sich dabei um ihn handeln. Unlogisch. Denn entweder ich kenne jemanden kaum und sage, er KÖNNTE es sein…dann weiß ich aber sicher nicht ganze Namen samt Schreibweise ODER es war jemand, der ihn gut kennt, dem/der dann aber sicher kein Fehler beim Identifizieren unterlaufen wäre- der Vater des Kindes ist den Meisten auch nur mit seinem Spitznamen bekannt.

Nachdem ich, teils durch Zufall, teils weil ich beim Aufräumen alte Briefe gefunden hatte, die ganze Woche völlig mit dem Kopf/Hasenherz in der Vergangenheit hing, war dieses Erlebnis ein schlagariges eiskaltes (SO hatte ich mir das mit der Erfrischung gestern NICHT vorgestellt) In-Die-Gegenwart-Zurück-Befördert-Werden.

Herr criminal investigator ruft mich später an, um sich nochmal zu entschuldigen, sich meinen Schwall (Ich hatte mich inzwischen gesammelt) “ Was für eine shice war das denn, Schock, hätten sie uns ersparen können mit besserer Recherche, rassistisch, was passiert mit unseren Daten usw.“ anzuhören und endet mit den Worten “ Ich hoffe, wir sehen uns nie wieder“. Cops mit Humor, allerliebst.

Der VaterDesKindes war dann Abends noch kurz da, das Kind schlief bereits. Wir konnten schon Witze machen, dass er doch ganz frisch aussähe für ’ne Leiche und ob das der neue Hipster-Zombie-Style wär.

Wenn so eine Situation nicht eine riesige Umarmung und ein ‚Schön, dass es dir gut geht, altes Haus“…dann weiß ich auch nicht.

Also herzt doch alle mal eure Lieben von mir und seid froh, dass ihr euch habt und es euch gut geht miteinander.