Jeden Tag ein kleines Innehalten. Derer erinnern, die nicht mehr sind. Oft fehlen. Große klaffende Lücken hinterlassen haben. Tot, nur noch mehr bleiches Gebein. Irgendwo tief unten in der Erde. Wenn überhaupt noch etwas übrig ist. Nicht schon längst wieder dem Kreislauf von Vergehen und Entstehen zugeführt. Entsprechend verwertet. Für neues Leben. Irgendwann.
Der Tod ist ein seltsamer Vogel. Ich hatte schon als Kind riesigen Respekt vor ihm. Ich bin manchmal panisch wegen hm hochgeschreckt, enggehüllt in blasslila wunderbar-weichem Flanell in dem Bett meines toten Großvaters liegend und meiner Großmutter und ihren Geschichten lauschte.
Ich habe mir dann vorgestellt, was ich alles nie mehr würde tun können. Mit der alten lauten Straßenbahn fahren, im Zug sitzend das DraußenvormFenster bestaunen, bei Gewitter sicher und geborgen drinnen sitzen, mit meinen Freund*innen spielen. Das machte mich traurig und dann, einige Augenbliche später ganz und gar glücklich…denn ich lebte ja. Jajaja! Die Chancen standen zudem gut, am nächsten Morgen wieder aufzuwachen…und doch fand ich gerade Schlafen befremdlich. Weil ich mir in etwa so das Sterben vorstellte.
Ich verstand nicht, warum ich ausruhen muss, die Augen schließen und jedesmal Zeit verlieren. Wo ich doch, putzmunter und immer neugierig, soviel besser hätte nutzen können. Heißen Kakao trinken zum Beispiel oder mich durchkitzeln lassen bis der Bauch vom Lachen wehtut. Ich bekam erklärt, dass der Schlaf wie eine extra Decke zu verstehen sei, die mich zuverlässig zudeckt, mich wärmt und so neue Kraft schöpfen lässt. Um am nächsten Morgen wieder bereit für neue Abenteuer zu sein.
Heute ist Halloween…Samhain, wie alte Weisen nur mehr flüstern. Ein uraltes Fest. Der Glaube, dass heute Nacht der Schleier zwischen dem Dies- und Jensseits am dünnsten ist…nur ein hauchzartes Atmen, das kräftige Schlagen unserer Herzen, das uns von der anderen Welt trennt. Kerzen im Fenster, damit die Toten den Weg nach Hause finden.
Ich denke vor allem an dich, babcia A.-D. Weil du dem kleinen Wusel niemals Kakao kochen können oder ihm über das Haar streichen wirst. Weil es nie einer deiner Geschichten zuhören können wird, von dir mit tiefer wohlklingender Stimme vorgetragen.Weil du nie über seinen aufgeschlagenen Knien singen oder ihm die Welt der Spinnen erklären wirst und warum das Schlafen wirklich wichtig für kleine Abenteuer*innen ist…weil du all das nicht mehr machen kannst, mache ich es für dich.
Heute und wann immer sonst du besonders fehlen wirst.
BITTE BEACHTEN: (#CN für #SVV #SUIZID im Video ) !!!
Damit bin ich wahrlich nicht allein: Statistiken sprechen von 5 Millionen Betroffenen allein in Deutschland. Dabei gehe ich von einem MINDESTENS aus. Die Realität, gut getarnt als oberflächlicher und nur zu belächelnder Schönheitseifer, würde mit um einiges höheren Dunkelziffern aufwarten können. Es liegt aber im Wesen der Essstörung, dass wir keine Anzeigen über unseren Zustand schalten. Lediglich im Endstadium ist dann Leugnen kaum mehr möglich. Von Magensäure verätzte Speiseröhren oder Zähne. Vielleicht ein weicher Flaum von Haaren, welcher den ganzen Körper überzieht. Der Blick immer rotgerändert, ein Zittern der Knie bei der leisesten Anstrengung. Kollaps is calling. Der Hass auf das eigene unkontrollierbare Fleisch zu groß, nur noch übertroffen von der Verachtung für all das überquellende Körperfett.
Ich bin seit einer Weile trocken. Habe das Kalorienzählen komplett verlernt. Anstelle des Einteilens von Nahrungsmitteln in zuviel und kaum ist wieder das schlichte ‚Schmeckt mir,lecker,mniam mniam‘ getreten. Davor ein langer steiniger Weg zurück zu mir, Hungrigen. Immer sososo hungrig. Einen fast unstillbaren Appetit auf die Welt und das Leben, der vor allem heranwachsenden Mädchen oft gründlich verdorben wird.
Es geht aber vermeintlich nur um Schönheit oder vielmehr diesen faden einfarbigen Entwurf, der uns als solcher verkauft wird. Einengend genug ist. Kein Platz lässt für Neugierde und Lust und Spaß am eigenen Körper.Wo kämen wir da auch hin, fühlten wir uns alle endlich wohl in diesen Leibern. Die doch nicht uns gehören (sollen) . Viel schlechter verwertbar sind, wenn wir unseren Selbstwert nicht mehr durch Andere definieren lassen, uns ihren Be-und Entwertungen entziehen und nur noch danach gehen, ob wir uns wohl fühlen und was uns dabei hilft und guttut.
Wer also Essstörung sagt, muss auch zweifelhaftes Selbstbild sagen und die Frage erlauben, wer zur Hölle festlegt was Schönheit ausmacht…und was nicht. Jeden Menschen maßregelt oder schlimmer noch ihm Gewalt antut, der ausschert, gängige Vorstellungen über den Haufen wirft, sich nicht der Körpervorgabe entsprechend verhält. Denn der Körper ist Kapital, nicht deines übrigens…sorry,honey !
Mein Uterus trägt vermutlich das Brandzeichen vom Papst und seinen Lebensschützern, vor allem seit meiner 1.Menstruation. Wobei das monatliche Abstoßen von Schleim und Blut möglichst duftarm und unbemerkt in viel beworbener Baumwolle zu passieren hat. Großes Bedauern, wenn mal was überläuft. Auch für PMS gibt es putzige Pillen, frag‘ nur nicht Arzt oder Apotheker nach den Nebenwirkungen. Meine Haut ist rein+weiß+faltenlos, das Haupthaar stets wohlfrisiert. Mit Brüsten, Geschlecht und Po verdiene ich mir ein Zubrot im mainstreamporn oder auf überdimensionalen Werbebannern, ich weiß nicht so genau, ich verwechsle das manchmal. Ich verstehe natürlich, dass das Entblößen meiner Brust beim Stillen in der Öffentlichkeit dann wieder anstößig ist und sofort geahndet werden muss. Bekommt ja auch keiner Geld dafür. Selbst meine Ausscheidungen duften nach Rosen oder Apfel. Da habe ich die Wahl. Cellulite und Schwangerschaftsstreifen sind übrigens nur Zeichen meines ganz persönlichen Versagens. Du kannst es trotzdem schaffen !
Eine Essstörung, selbst im ausgetrockneten Stadium ist gefährlich. Für Körper und Geist. Manchmal lebensbedrohlich. Ein Schatten der Angst vor dem Raumeinnehmen, der bleibt. Immer dann wieder größer wird, wenn es sich anfühlt als würde die Macht über das eigene Leben schwinden. Wie jemand, den du nicht besonders magst, der dir aber auf jeden Fall und überall hin folgt. Unaufhörlich kommentiert.
Noch gefährlicher sind aber Menschen, die sich in ihren Körpern zuhause fühlen. Sich nicht darum kümmern, ob sie Normen entsprechen oder kategorisierbar sind. Die ihren Raum einnehmen und aufbegehren, wenn das nicht möglich ist. Dann Fragen aufwerfen nach dem Wer/Was, der/das lange genug für sie definiert und zugeschrieben und das Wort schön mit strengen Vorgaben gefüllt hat. ‚Schluss damit‘ brüllen sie dann und sind nicht mehr zu ignorieren.
Ich bin so 1…und ich nerve. Unglaublich. Fühl’mich viel zu wohl in meiner pickeligen Haut und nehme viel zu viel Platz ein und mich endlich wichtiger als all die Kommentatoren um mich herum. Hab‘ aufgehört mich dünne zu machen.
Nun bin ich aber seit über einem Jahr auch Mutter eines schnutzeligen BabysKleinkindes. Habe ich mich vor noch nicht allzu langer Zeit endlich gemütlich bei mir eingerichtet, geht es beim kleinen Wusel gerade los.
Das fängt nicht erst bei Ratschlägerbüchern rund um die Entwicklung des Babys an, die erzählen, welche Dinge es wann zu können hat…und wehe das Kind entspricht den Entwicklungskurven nicht. Norm ist alles, die nächste Generation Humankapital soll schließlich optimiert ins Rennen geschickt werden. Modekataloge für Kleinkinder verwundern dann auch nicht mehr.
Gestern beim Kinderarzt, als das kleine Wusel seine nächste Impfung bekommen hat, ist es mir wieder aufgefallen, was das schon hier und jetzt nah an uns dran für Wellen schlägt. Dieses Gemustert-Werden, dieses Abchecken von der Kopfbedeckung samt restlicher Kleidung bis zum Kind selbst. Das kleine Wusel ist groß für sein Alter und oft wird es viel älter geschätzt. Da passiert es dann oft, dass Menschen von einem mitleidigen ‚Ach,schon so alt und kann noch nicht -bitte einsetzen- ‚ zu ‚ hüstel…da ist es aber schon schon früh dran, nett nett ‚…häh? Arggh! Ich vergleiche auch, finde das auch nicht weiter problematisch…weil es wirklich spannend ist, was andere Kids im selben Alter so machen. Aber was da passiert ist das : Es wird bewertet, eingeteilt und dann ist es zum Konkurrieren oft nur noch ein Katzensprung.
Soviel könnte ich mich gar nicht mehr übergeben, wie ich das zum Kotzen finde.
Wir reden hier schließlich von einem Mensch, ein kleiner Mensch noch zwar, eingeschränkt in seiner Willensäußerung und doch verdammt nochmal auch mit eigener Würde und dem Recht auf Unversehrtheit. Für die ich aber nicht für immer 100 % garantieren kann, fürchte ich manchmal. Trotzdem alles in meiner Macht Stehende dafür tun werde. Auf dass das kleine Wusel zwar um seinen Selbstwert nicht aber um seine etwaige Verwertbarkeit wissen wird und sich in seinem Körper wohlfühlt, egal ob DinA gemäß oder nicht.
Darin groß und stark und mutig genug wird um allen, die die Regeln des freien Marktes schon auf (ihre eigenen) Kinder anwenden seinen kleinen Stinkefinger zeigen zu können. Essstörungen soll es dabei nur vom HörenSagen und vielleicht noch dem blog seiner Mutter kennen :)…oder um mit den Worten von Beth Ditto (<3 ❤ <3) zu sprechen:
‚Lasst euch von euren Ideen in die Welt hinaustragen, in ein geniales, durchgeknalltes und aufregendes Leben. Den Stimmen in eurem Kopf und den Leuten, die euch kleinhalten wollen – sagt ihnen, dass sie sich verpissen sollen. Ihr seid perfekt, so wie ihr seid. Außer der Welt müsst ihr nichts verändern. Also fangt damit an. ‚
Ich versuche zum 3. Mal eine ganz bestimmte Folge Grey’s Anatomy anzusehen – Mutter + Kind sind darin wohlauf nach kompliziertestem Geburtsverlauf . Da überrollt mich plötzlich eine ordentliche Schmerzwelle of Kontraktionen, mir bleibt die Luft weg und für Zweifel kein Platz mehr : DAS waren zum ersten Mal richtige Wehen (O-Ton meiner lieben Hebamme : Wehen kommt doch auch von wehtun, harharhar. Sehr witzig. Mmpf. )…ich „veratme“ ( lautmalerischer Euphemismus für auuuaaaaaaahhhh ) alles + belle dann meine Mutter und das andere Elter des kleinen Wusels in 3 Sprachen an, dass es nun LOSGINGE.
Das Taxi wird geordert, die diensthabenden Hebammen informiert. Gleich zweimal…denn erst: „Klar,in 2 Stunden Treffen reicht völlig , die Wehen kommen in 9 Min Abständen, alles wunderbar. Nach weiteren 40 Min aber : „Neeeeeeeein..die Wehen kommen jetzt in 3,4 Min Abständen+es tut echt weeeeeeeehhhhhhhhhhhhhhhhhhh“ !!! Ich denke voll nackter Angstleicht besorgt ‚Ach du Schei**,wenn das JETZT schon so schmerzt,was soll denn das noch werden…zumal wahrscheinlich stundenlang‘. Später ergibt alles Sinn, da ich in 2 Stunden und zehn Minuten mit Gebären durch sein werde. Was ich aber in diesem Moment noch nicht wissen kann.
Die Taxifahrt ist typisch X-Berg und unterbrochen von viel ahhhhhhhhhhhh+uhhhhhhhhhhhh ergibt sich in den nä 7Min (gefühlt eher 7 h ) folgender Dialog :
aMv: „Ja,hallo…ich krieg’jetzt ein Kind, aber nicht in ihrem Taxi. Versprochen. “
Taxifahrer: „Ja,ähh…öhh…na dann…Glück auf oder wie sagt man ?!? “
aMv: „…und wenn ich ab+an mal brülle,machen sie sich keinen Kopf, das muss so, das sind nur die Wehen. “
Taxifahrer: Ahhja…ähh…Ich fahr dann mal los, oooook?
Er fährt dann recht flott+ich merke zwischendurch, dass er sich WIRKLICH Mühe gibt, nicht JEDES Schlagloch mitzunehmen. Eins könnte seinen Bleifuß als durchaus panisch bezeichnen und die Töne, die er beim Fahren von sich gibt bündeln sich zusammen mit meinem anschwellenden Stöhnen und den unterdrückten Glucksern vom anderen Elter zu einer grandiosen Kakophonie.
An der Eingangstür des Geburtshauses öffnet uns eine Schwangere, die bei meinem Anblick ganz blass wird ( die nächste Welle Wehen stürmt heran + irgendein Kurs ist noch im Gange)…es steht ihr ins Gesicht geschrieben, dass ich ihr gerade unheimlich Lust auf die Geburt mache.
Ich schaffe es noch aus den Armen von Hebamme 1 (sie wird später erzählen, dass sie bis zum Kerzen anzünden gekommen sei bevor wir Sturm klingeln) auf das Bett niederzusinken und befreie mich mit ihrer Hilfe von Beinkleid und Hemmungen. Die gesamte Eröffnungsphase habe ich offenbar schon zuhause beziehungsweise im Taxi verrichtet, so können wir direkt starten. Uaahhhhh !!!
Meine Mutter (die leider laufen musste) legt eine Strecke für die sie normalerweise eine gute halbe Stunde braucht, dieses eine Mal in rekordverdächtigen 15 Minuten zurück. Sie kommt just in dem Moment dazu in dem ich mit meinem Schreien neue olympische Höhen erreiche. Ich breche währenddessen fast den Arm vom anderen Elter, aber er ist ein wahrer Begleiterheld und zuckt nicht mal mit der Wimper. Meine Mutter leuchtet schnell leicht grünlich im Gesicht und weint. Zumindest erinnere ich das so, aber ich war mitunter a kind of abgelenkt, also keine Gewähr . Es ist aber ganz sicher ein hartes Brot das eigene Kind so in Pein gekrümmt zu sehen.
Die Schreie dringen wohl bis weit nach Draußen, denn Hebamme 2, die später noch dazukommt, lässt ihr Auto einfach im Halteverbot stehen + eilt zu uns.
Nun wird die Erinnerung etwas nebulös, nur noch Schichten von laut tösenden Schmerzen durch die ich mich durcharbeiten muss + klitzekleine Pausen,in denen mir die Haare aus dem Gesicht gestrichen werden und ich trinke wie eine Verdurstende bevor ich in den nächsten Schmerz taumel.
Hebamme 1 macht mich darauf aufmerksam, dass die Fruchtblase noch intakt sei und ich kann zwischen meinen Beinen etwas ertasten,dass sich wie ein prall mit Wasser gefüllter Luftballon anfühlt und da drinnen bereits den kleinen Kopf.
Mit den nächsten drei vier Wehen ( bei denen ich das Gefühl habe,dass ich auseinandergerissen werde und etwas in mir für immer kaputtgegangen sein muss) kommt das kleine Wusel samt Glückshaube in die Welt …auf den Tönen von Alina Orlovas ‚ Ramuma ‚ .
Dann ist da nur noch überwältigendes worteundjedensonstigensinnsprengendes Wahnsinnsgefühl von GlücklichSein + schwerster erdiger Erschöpfung. Ich entledige mich meiner schwitzigen Sachen und liege Haut an Haut mit meinem Baby,welches kleinzartundschönschmodderig auf meiner Brust liegt,unglaublich drollige Töne ausspuckt + überhaupt nicht schreit,ja nicht im Geringsten verschreckt scheint. Die Hebammen machen dafür die Fruchtblase verantwortlich, die bis zum Schluss wie ein Puffer gewirkt haben soll.
Nach insgesamt 5 Stunden sind wir wieder zuhause+ ich schlafe 3 TAge kaum…so hormonüberdosiertseeligverpeilt bin ich.
Wir werden die nächsten Wochen alle Zeit der Welt haben uns kennenzulernen.Wir sind pulsierende Lebendigkeit. Ein monumentaler Moment, den ich tief in inneren Stein meißel und mit lachendweinender KomplettErfasstheit verziere. Jetzt. Hier. Danke.
Wir veranstalten Konzerte an verschiedenen Orten in der großen Stadt.
Rip it Up verwandeln uns alle in einen gemeinsam schwitzenden Körper, der zugedröhnt mit Endorphinen tanzt und lacht und lacht und tanzt.
Ich spüre zum ersten Mal mit jeder Faser meiner selbst, dass ich nicht mehr allein bin. Ein kleines Licht beginnt leise zu leuchten. Es erhellt nach und nach noch die dunkelsten Orte in mir und wärmt in orangerot. Meine Seelenhaut vibriert. Das Glück quillt mir aus den Poren, schwappt mir über die Lippen und ich will nichts mehr als es mit dir teilen.
Ich versuche dich telefonisch zu erreichen und schaffe es nicht. Ich möchte zu dir fahren und mache es nicht.
Du wirst dich in dieser Nacht bis zur Besinnungslosigkeit betrinken und vergessen. In den Armen einer anderen Frau.
Ich bin müde. Müde. Müde. Müde. Der Frühling kommt und ich verschlafe wichtige Verabredungen. Damit ich nicht sämtliche Freund*innen verliere, beginne ich Lieblingsmenschen einzuweihen.
Ich streite mich seit Monaten mit meiner Krankenversicherung um den Tarif, Student*in versus Arbeitende. Zahle nicht, was ich nicht zahlen will.
Bin deswegen nicht voll krankenversichert.
War bis hierhin mein eigenes Risiko ab jetzt bin ich verantwortungslos. Wird gesagt.
Das Gleiche bekomme ich zu hören wegen meinem Veganismus. All jene atmen auf als mich irgendwann der Appetit auf unveganen Tzatziki überfällt .Meine Saftsucht nimmt ungeheure Ausmaße an. Bin jetzt bei 3 PackungenFlaschenEichenfässern pro Tag.Finde saure Gurken widerlich, trinke aber Gurkenwasser literweise.
Denke geschlagene 3 Tage über Abtreibung nach. Nicht,weil ich das Kind nicht will. Aber ich habe Angst. Nackte grölende Angst.Ich bin mitten im Studium, bin arm und weiß nicht, ob ich dich noch liebe.
Freundin Erpunkt rettet mich aus düsteren Gedanken:
Woher willst du wissen, dass ich das alles schaffe, frage ich.
Weil ich dich kenne, antwortet sie.
Tiefer lauert die Erkenntnis, bereit mich anzuspringen. Kommt dann auch ins Haus gestürmt ohne anzuklopfen:
Wir haben Johnny Cashs Geburtstag und der Schwangerschaftstest färbt sich dunkelflieder. Zweimal.
BING BING BING, alle Neune, masel-tov!
Du weinst vor Freude als ich dir den Test in die Hände lege.
Ich bin nur geschockt.
Dann froh.
Endlich ein Name für dieses seltsame neue Körpergefühl.
Schwanger.
Es ist Ende Januar und wir sitzen lachend und streitend in deinem Zimmer. Auf den Platten, die du auflegst schwimmen wir in den Abend. Später werden wir uns lieben und es wird eine dieser riesigen Nächte daraus…alles trifft den richtigen Ton. So stimmig, dass es schmerzt.
Wir halten uns an den Händen und baden für immerbisjetzt im Glück.
Am nächsten Tag spazieren wir durch einen in Sonne getränkten Kiez.
Wir reden auch über Kinder und ob wir welche haben wollen…dass sich einiges ändern müsste dann.
Wir essen thailändisch und ich wärme mich an dir und deinem verliebten Blick.
Wir können noch nicht wissen, dass die letzte Nacht folgenreicher war als alle anderen zuvor.
Wir können noch nicht wissen, dass da bald ein kleiner Mensch sein wird.
Wir können noch nicht wissen dass noch einige Monate später alles auseinanderbrechen wird und wir es so nicht schaffen werden – alle zusammen.
Heute sind wir nur, was wir sind…satt und voll mit uns.
Der folgende Text ist zuallererst als Gedankenergänzung, ein maybe bereicherndes Serum zur grundsätzlichen Diskussion um Reproduktionsarbeit gedacht, welche von eulenbacke, glücklich scheitern und feministmum in Gang gebracht worden ist.
Ich will den Scheinwerfer hauptsächlich darauf richten, was in meinen Augen strukturell völlig schiefhängt…so schief, dass ich mir die letzten Monate ständig den Kopf daran blutig gestoßen und den Mund in Gesprächen mit Freund*innen fusselig geredet habe.
Die Frage nach der Wertschätzung ist für mich dabei eine der zentralen, denn das Übersehen, das nicht Wahrnehmen-Wollen, was da tatsächlich geleistet wird hat SYSTEM! Ob das dann Arbeit genannt wird oder nicht hängt vor allem von der eigenen Einstellung zum Thema ab…denn natürlich ist es Arbeit, was auch sonst ?!?
Was hier aufzustoßen scheint ist das: Wie können Frauen etwas als Arbeit bezeichnen was doch eigentlich schon von jeher ‚ihre Pflicht‘ gewesen ist und ’nun mal dazugehört‘ wenn sie sich auf das Abenteuer Kind eingelassen haben ?!? Jahrhundertelang wurde ihnen eingeredet, dass es das ist was sie am besten können (sollten), was im Privaten vollzogen wird und mit ‚echter‘ sprich bezahlter Arbeit#1 NICHTS zutun hat…verwundert es dann, dass schon allein das reclaimen des Arbeitsbegriffes für Aufruhr sorgt? Das Menschen mit und ohne Kinder sich entrüsten wenn das ‚Sichumdiekinderundhausundhofkümmern‘ mit Lohnarbeit verglichen wird?
Wo kämen wir auch hin, wenn wir das, was da zuhause getan wird als gleichwertige Arbeit ansehen und dabei die Frage, warum das dann nicht auch entsprechend honoriert wird automatisch mitstellen würden…und mehr noch…wenn sie außerdem immer öfter ‚echte‘ Arbeit verrichten (für die sie nach wie vor nicht das gleiche Gehalt bekommen wie ihre männlichen Kollegen) werden sie mit dem zunehmenden Platz, den sie bestens ausgebildet dabei am Arbeitsmarkt beanspruchen zur wirklichen Gefahr für die bestehende Ordnung…und nur weil sie nach Feierabend immernoch den größten Teil der Hausarbeit verrichten und dann oft keine Energie mehr haben um noch groß Fragen zu stellen, fällt ihnen vielleicht nicht auf, welch hohes Machtpotential in ihrer aller Hände liegt…wenn nämlich nur die Mehrheit von ihnen einmal für einige Wochen nicht ‚ ihren üblichen Tätigkeiten an der Haushaltsfront ‚ nachkommen würde, einfach mal blau machte…das auf ihren unentgeltlichen Diensten an Heim+Herd-Samt-Kind aufbauende System würde zusammenbrechen. Was aber keine Arbeit ist, kann auch nicht verweigert werden.
Dabei ließe sich das noch ausweiten…denn die partout nicht erfolgende Anerkennung betrifft auf dem Sektor der ‚echten‘ Arbeit dann wieder als erstes Berufszweige mit hohem (oder gar ausschließlichem) Frauenanteil wie das Hebammenwesen, Pflege-und Sozialdienste, etc…und ja…auch und vor allem Sexarbeit#2.
Ein anderer wichtiger Punkt, auffällig in seiner immer gleichen Ausführung ist der des Konkurrenzgedankens…etwas was Cloudette treffend eine “mein-Alltag-ist-viel-stressiger-Competition” nennt. Fällt niemandem auf, wie sehr wir auch das verinnerlicht haben??? Hierbei meine ich uns alle, unabhängig vom (konstruierten) Geschlecht. Dieser Wettbewerbsgedanke, eines der hervorstechenden Merkmale des Kapitalismus, ist uns tief ins Fleisch gebrannt worden. So tief, dass wir es nicht einmal mehr zu merken scheinen wenn wir unsere Kräfte miteinander wetteifernd wieder und wieder schlicht VERSCHWENDEN. Dabei ist es dann auch nur noch zweitens worum es im Einzelnen geht…sich darüber hinaus noch gegenseitig des Jammerns zu bezichtigen, wenn die eigene Lebensrealität als jeweils anstrengender und stressiger wahrgenommen wird, anstatt danach zu schauen was wir beim täglichen Strampeln in diesem ‚kalten Krieg‘ gemeinsam haben…nur ein weiterer bitterer Beigeschmack.
Und zu guter Letzt…wo sind die Väter bei all dem ? Schließlich ist dieser einfarbige Entwurf vom 9to5 Job ohne Raum für etwas Anderes auch für sie eine Einbahnstraße…wo bleibt also das Mitdiskutieren, das Durchsetzen von z.B. Elternzeit die länger dauert als die üblichen 2 Monate, das Sich-Dagegen-Verwehren mit cookies beschmissen zu werden und ständig Applaus zu bekommen fürs Windelnwechseln oder Kinderwagen spazieren führen solange dies bei allen die nicht cismännlich sind als normal und Pflicht ausübend gilt ?!?
All das zum Bedenken freigebend,
yours aMv.
#1 : 1 darf hier getrost auch mal das GESAMTE LohnfürArbeit-Gefüge in Frage stellen…
#2 : Sexarbeit ist ein Thema für sich und soll in einem der nächsten posts näher beleuchtet werden.